Veranstaltung: | 1. Landesdelegiertenrat 2019 |
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Tagesordnungspunkt: | 3 Leitantrag |
Status: | Beschluss |
Beschluss durch: | Landesdelegiertenrat |
Beschlossen am: | 10.08.2019 |
Eingereicht: | 12.08.2019, 19:26 |
Antragshistorie: | Version 1 |
Brandenburg ist erneuerbar!
Beschlusstext
Brandenburg ist erneuerbar!
Die Hitze und Dürre auch in diesem Sommer, Ernteausfälle, Waldbrände und
Unwetter zeigen mehr als deutlich: Die realen Folgen der Klimakrise sind
inzwischen auch hier bei uns zu spüren. Und für immer mehr Menschen wird klar,
dass wir Bündnisgrüne die einzige Partei sind, die seit Jahren konsequent und
glaubwürdig für den Klimaschutz und den Erhalt unserer natürlichen
Lebensgrundlagen streitet. Besonders junge Menschen machen der Politik Druck,
denn sie wissen, es geht um ihre Zukunft und es gibt keinen Planet B. Nur wenn
wir jetzt entscheidende Weichen in der Energie-, Wirtschafts-, Agrar- und
Verkehrspolitik anders stellen, können wir die Klimaerhitzung noch begrenzen.
Die vielen neuen Mitglieder und die Ergebnisse der Europa- und Kommunalwahlen am
26. Mai 2019 lassen keinen Zweifel: Bündnisgrüne Ideen und Ziele erfahren große
Zustimmung bei immer mehr Menschen. Nicht nur bundesweit, auch in Brandenburg
konnten wir bei den Europawahlen stark an Stimmen gewinnen, in vielen Orten
lagen wir sogar vor allen anderen Parteien. Auch bei den Kommunalwahlen konnten
wir gute Ergebnisse erzielen, und das nicht nur in den Ballungsräumen rund um
Berlin, sondern auch in ländlichen Regionen wie in der Prignitz und der
Uckermark. In Orten wie Kleinmachnow und Falkensee wurden wir sowohl bei den
Kreistags- als auch bei den Wahlen auf Gemeindeebene stärkste Kraft. Das gibt
uns Rückenwind und Motivation für einen leidenschaftlichen Landtagwahlkampf!
Die Wahlergebnisse für Brandenburg haben auch gezeigt, dass die
Regierungsparteien im Land SPD und Linke ebenso wie die CDU und die Gro-Ko im
Bund weiter an Zustimmung verlieren. Nach derzeitigem Stand reicht es für ein
Zweiparteienbündnis nicht. Eine Regierungsbeteiligung von Bündnis 90/Die Grünen
ist damit wahrscheinlich. Wir sind bereit, Verantwortung zu übernehmen, um
Brandenburg zu fairwandeln.
Vom Aufbruch, den rot-rot in Brandenburg nach eigenem Anspruch vollenden wollte,
sind nur Ansätze zu spüren. Stillstand oder sogar Rückschritt herrscht genau auf
den Gebieten, auf denen wir deutlich vorankommen müssten: Klimaschutz,
Kohleausstieg, Artenvielfalt, ökologischer Landbau, artgerechte Tierhaltung,
Radwegeausbau, Bahnverkehr, Kampf gegen Kinderarmut, Pflegenotstand, sozialer
Wohnungsbau, Breitband- und Mobilfunknetz, Stärkung der Dörfer, Zusammenhalt und
Demokratie.
Mit großer Sorge nehmen wir wahr, dass Rassismus immer salonfähiger wird. 19,9 %
der Brandenburger*innen haben bei der Europawahl ihre Stimme einer Partei
gegeben, die rechtsextremes Gedankengut vertritt und Angst und Hass verbreitet.
Das ist ein Alarmsignal und eine gravierende Bedrohung für unsere offene und
demokratische Gesellschaft. Statt Rückwärtsgewandtheit und Nationalismus stehen
wir für Zuversicht und Solidarität. Statt Ängste zu schüren wollen wir neue
Lösungen finden, um die Herausforderungen der Zukunft anzupacken. Die
Landtagwahl am 1. September wird auch richtungsentscheidend dafür sein, in
welchem Land wir zukünftig leben werden. Für uns Bündnisgrüne ist klar: Das kann
nur ein ökologisches, soziales und weltoffenes Land sein.
Doch dafür müssen wir den Stillstand beenden! Denn wir sind überzeugt:
„Brandenburg ist erneuerbar“.
Unsere zwölf Projekte, um Brandenburg zu erneuern
1.Klimaschutz, saubere Energie und der Kohleausstieg schon 2030
Wir wollen das Anliegen vieler Kommunen und Initiativen aufgreifen und den
Klimanotstand anerkennen und alle Gesetzgebungsverfahren auf ihre Auswirkungen
auf den Klimaschutz und die Einhaltung der Pariser Klimaziele überprüfen. Mit
uns wird es keine neuen Tagebaue geben, bereits genehmigte Tagebaue wollen wir
verkleinern. Wir wollen Welzow Süd II eine klare Absage erteilen, damit Proschim
nicht abgebaggert wird. Damit wollen wir den kompletten Kohleausstieg bis 2030
erreichen. Den damit verbundenen Strukturwandel wollen wir sozialverträglich auf
den Weg bringen und die vom Bund zugesagten Finanzmittel in Milliardenhöhe mit
einem Nachhaltigkeitskonzept für die Region verbinden. Gleichzeitig setzen wir
auf den naturverträglichen Ausbau der Erneuerbaren Energien und die Beteiligung
der Bürger*innen und Kommunen an den Gewinnen der Energieproduktion.
2. Eine bäuerliche, ökologische Landwirtschaft ohne Gift und Tierquälerei
Wir wollen den Ökolandbau gezielt fördern und bis 2024 auf 25% der Agrarflächen
ausweiten. Pestizide in Schutzgebieten wollen wir verbieten und für alle anderen
Flächen den Einsatz deutlich reduzieren. Gentechnik auf Brandenburgs Äckern
wollen wir ausschließen. Wir wollen Jungbäuer*innen Zugang zu Land bieten und
Bodenspekulation durch Pachtvergabe statt Verkauf von landeseigenen Flächen
bekämpfen. Wir wollen die Massentierhaltung stoppen: Die Förderung für neue
Tierställe wollen wir auf Umwelt- und Tierschutz ausrichten, die
Kastenstandshaltung für Sauen beenden, das Kupieren von Hörnern, Schnäbeln und
Schwänzen verbieten, den Brandschutz verschärfen, das Verbandsklagerecht
einführen und mehr Kontrollen in Ställen und Tiertransporten durchsetzen.
3. Wirkungsvoller Umweltschutz und Einsatz gegen das Artensterben
Großschutzgebiete wollen wir zu Modellregionen der Nachhaltigkeit ausbauen und
unsere Seen und Flüsse vor Nitrat, Pestiziden, Sulfat und Eisenocker schützen.
Wir wollen den Waldumbau von monotonen Kiefernwäldern zu artenreichen
Mischwäldern voranbringen, Moore schützen und bis 2025 eine ausgeglichene
Flächenversiegelungsbilanz erreichen. Wir wollen die Artenvielfalt bewahren und
gegen das Insekten-, Vogel- und Amphibiensterben kämpfen. Das Maßnahmenprogramm
„Biologische Vielfalt“ wollen wir zu einer echten Strategie weiterentwickeln.
Wild- und Honigbienen sollen sich in Brandenburg wieder wohl fühlen.
Umweltverschmutzung und illegalen Müllhalden wollen wir die Rote Karte zeigen
und überflüssigen Plaste- und Verpackungsmüll reduzieren.
4. Ausbau der Bus- und Bahnverbindungen und mehr Radwege
Wir wollen mehr Bus und Bahn für mehr Lebensqualität in Brandenburg. Dafür
wollen wir die Regionalisierungsmittel des Bundes komplett in die Bestellung von
Zügen investieren, um Taktverdichtungen und Streckenreaktivierungen zu
finanzieren. Die Infrastrukturengpässe wie fehlende Gleise oder fehlende
Bahnsteige wollen wir zügig angehen. Wir wollen ein Netz landesbedeutsamer,
kreisübergreifender Buslinien schaffen. Ein Teil der Mittel für Straßenbau
wollen wir umschichten, um Rad(schnell)wege und Rad-Abstellanlagen deutlich
auszubauen. Unser Ziel ist, dass zwei Drittel aller Wege zu Fuß, mit dem Rad
oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln zurückgelegt werden. Das Projekt BER
wollen wir bestmöglich zu Ende führen und den Flugverkehr mit einem
Nachtflugverbot von 22-6 Uhr sowie den Verzicht auf eine dritte Start- und
Landebahn auf das notwendige Maß begrenzen.
5. Stärkung von Familien und Kampf gegen Kinderarmut
Familie ist dort, wo Kinder sind und wo Menschen Verantwortung füreinander
übernehmen. Wir wollen Kinder und Familien starkmachen und für einen guten Start
ins Leben sorgen. Dafür wollen wir mehr Hebammen ausbilden und das duale
Studienfach Hebammenkunde einführen. Die Geburtsstationen an den Kliniken wollen
wir erhalten und die vier Geburtshäuser und die Gründung von neuen
Geburtshäusern fördern. Wir wollen mehr Familienzentren und durchgreifende
Maßnahmen gegen Kinderarmut. Alleinerziehende wollen wir besonders unterstützen.
Alle Kinder und Jugendlichen müssen an Bildungs-, Kultur- und Sportangeboten
teilhaben können, unabhängig vom Wohnort und vom Geldbeutel ihrer Eltern. Dafür
wollen wir die „Bildungskarte gegen Kinderarmut“ einführen.
6. Mehr Qualität in Kitas, Schulen und Hochschulen
Investitionen in Bildung sind Investitionen in die Zukunft. Wir wollen, dass
jedes Kind und jeder junge Mensch die bestmöglichen Bildungs- und
Ausbildungschancen erhält. Das ist für uns eine zentrale Gerechtigkeitsfrage.
Wir wollen kleinere Gruppen in Kitas und bessere Arbeitsbedingungen für
Erzieher*innen. Neben deutlichen Qualitätsverbesserungen wollen wir die
Beitragsfreiheit möglichst bald erreichen. Die Schulen brauchen mehr und gut
qualifizierte Lehrkräfte, das „Gemeinsame Lernen“ und die individuelle Förderung
wollen wir weiter voranbringen. Bei der Hochschulfinanzierung darf Brandenburg
nicht länger zu den bundesweiten Schlusslichtern gehören.
7. Gute medizinische Versorgung und Pflege im Wohnumfeld
Die Zahl pflegebedürftiger Menschen wird weiter zunehmen, doch schon heute
herrscht ein akuter Pflegenotstand. Wir möchten, dass pflegebedürftige Menschen
möglichst lange in ihrem vertrauten Umfeld bleiben können und wollen die
Angebote für die „Pflege im Quartier“ stärken. Wir wollen den Pflegeberuf
attraktiver für junge Leute machen, indem wir die Ausbildungs- und
Arbeitsbedingungen verbessern. Medizinische Versorgungsangebote müssen im ganzen
Land gut erreichbar sein. Deshalb wollen wir die Übernahme von Praxen durch
junge Ärzt*innen in den ländlichen Räumen ebenso unterstützen wie die bessere
Verzahnung von ambulanten und stationären Angeboten sowie den Auf- und Ausbau
von Gesundheitszentren. Um die Pflege bezahlbar zu halten, setzen wir uns auf
Bundesebene für eine Deckelung der Eigenbeiträge ein.
8. Lebendige Dörfer und gute Infrastruktur in den ländlichen Räumen
Mit uns stehen die Dörfer auf der Tagesordnung der Politik. Wer im Dorf lebt,
darf nicht abgehängt sein. Kurze Beine brauchen kurze Wege: Wir wollen, dass
Kitas und Schulen vor Ort erhalten werden oder bei Bedarf sogar neu entstehen.
Der Öffentliche Nahverkehr darf nicht auf den Schulbusverkehr reduziert werden.
Der Zugang zu medizinischer Versorgung muss auch in ländlichen Regionen
gewährleistet sein. Das Engagement für Vereine, multifunktionale Dorfläden,
Dorfgemeinschaftshäuser und Jugendklubs wollen wir unterstützen und den
Zusammenhalt fördern. Die Mitbestimmung der Dörfer wollen wir durch
Ortsteilbudgets und mehr Mitsprache der Ortsbeiräte verbessern. Den Breitband-
und Mobilfunkausbau wollen wir mit einem klaren Ausbaukonzept voranbringen, bei
dem das Land die Kommunen unterstützt.
9. Wirtschaft, Digitalisierung und Gute Arbeit
Unsere Wirtschafts- und Arbeitspolitik muss den Megatrends Digitalisierung,
Klimakrise, Verfügbarkeit von Ressourcen und Demografie Rechnung tragen. Die
Digitalisierung darf Brandenburg nicht weiter verschlafen.
Behördendienstleistungen wollen wir endlich auch digital möglich machen und
dabei höchste Standards für den Datenschutz und die IT-Sicherheit durchsetzen.
Dafür wollen wir IT-Kompetenz in den Behörden aufbauen und langfristig auf freie
und quelloffene Software umstellen. Bei der Förderpolitik setzen wir nicht auf
Quantität sondern auf Qualität. Die öffentliche Hand wollen wir zum Vorbild für
gute Arbeit machen. Öffentliche Aufträge wollen wir an Tariftreueregelungen
binden. Wir wollen den Mindestlohn allen Anspruchsberechtigten zu Gute kommen
lassen und gegen Vermeidungsstrategien vorgehen.
10. Bezahlbarer Wohnraum und klare Kante gegen Spekulation
Wohnen muss bezahlbar bleiben, auch für Menschen mit geringem Einkommen,
Familien, Ältere, Menschen mit Behinderung oder Geflüchtete. Den Wohndruck, der
durch das Wachstum des Metropolenraum Berlins entsteht, wollen wir auf das ganze
Land verteilen. Dazu gehört eine Stärkung der Orte im ländlichen Raum in erster
Linie durch eine bessere Anbindung an das Landesschienennetz. Für den Neubau
wollen wir Baugemeinschaften, Genossenschaften und den sozialen Wohnungsbau
fördern. Beim Bauen setzen wir auf nachhaltige Baustoffe und Energieeffizienz,
was langfristig sogar oft kostengünstiger ist. Grundstücke aus öffentlichem
Eigentum wollen wir nur noch in Erbpacht an das beste Konzept vergeben. Den
Ausverkauf öffentlicher Flächen wollen wir stoppen. Mit einem
Zweckentfremdungsgesetz wollen wir Leerstandspekulation entgegenwirken.
11. Für Seenotrettung, Integration und ein weltoffenes Brandenburg in einem
friedlichen Europa
Dem Sterben im Mittelmeer auf der Flucht nach Europa wollen wir nicht tatenlos
zusehen. Seenotrettung darf nicht kriminalisiert werden. Wir unterstützen die
Initiative „Seebrücke – Sichere Häfen“. Aus Seenot gerettete Schutzsuchende
müssen in Brandenburg Zuflucht finden. Rechtspopulistischen und rechtsextremen
Gruppierungen und ihrem Gedankengut treten wir entschieden entgegen. Die Mittel
für Projekte gegen rechts wollen wir deutlich und dauerhaft aufstocken. Wir
kämpfen auf allen Ebenen gegen gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit wie
Rassismus, Antisemitismus, Islamfeindlichkeit, Sexismus oder Homo- und
Transphobie. Unsere Ziele sind die Gleichberechtigung der Geschlechter, gleiche
Rechte für LSBTIQ*, die Integration von Geflüchteten und ein gemeinsames
Miteinander aller Menschen. Mit einem Antidiskriminierungsgesetz wollen wir den
Schutz vor Diskriminierung auch auf Landesebene vorantreiben. Den Aktionsplan
"Queeres Brandenburg" wollen wir konkretisieren und dessen Umsetzung
beschleunigen. Die europäische Integration und die Zusammenarbeit mit Polen
wollen wir stärken.
12. Mehr Demokratie, Bürgerrechte und Transparenz
Wir wollen Bürger*innenrechte, Mitbestimmung und Demokratie stärken. Bürger- und
Volksinitiativen bzw. –begehren wollen wir vereinfachen und ein zentrales
Beteiligungsportal schaffen. Mit einem Transparenzgesetz wollen wir Verwaltungs-
dokumente automatisch, maschinenlesbar und zur weiteren Verwendung
veröffentlichen. Die Polizei wollen wir personell und materiell besser
ausstatten und den hohen Krankenstand durch ein wirksames Gesundheitsmanagement
senken. Maßnahmen, die die Grundrechte unverhältnismäßig einschränken, lehnen
wir dagegen ab. Das neu beschlossene Polizeigesetz, insbesondere die Ausweitung
von Schleierfahndung, Meldeauflagen und Unterbindungsgewahrsam wollen wir auf
den Prüfstand stellen und eine unabhängige Polizeibeschwerdestelle schaffen. Die
Justiz wollen wir wieder arbeitsfähig machen und weiter entwickeln. Die
strafrechtliche Verfolgung bei geringen Mengen Cannabis wollen wir einstellen.
Das V-Leute-Wesen beim Verfassungsschutz wollen wir beenden.
Damit erneuern wir Brandenburg. Dafür rufen wir auf, wählen zu gehen und für
Bündnis 90/Die Grünen zu stimmen.